Die erste Rumänienreise des THNW
Unser Video zur Reise: https://www.youtube.com/watch?v=mwBJpatEMBs
Zwei Wochen hat das Tierhilfsnetzwerk Rumänien bereist und konnte sich ein Bild von der Streunerproblematik des Landes machen. Wir haben uns bei dieser Fahrt auf Hunde konzentriert, da es gerade bei ihnen sehr großen Bedarf gibt und wir den Tierschützern vor Ort unter die Arme greifen können. Uns fiel schon auf der Hinreise auf, wie groß das Leid der Hunde ist – verletzte, verstorbene und Futter suchende Hunde ÜBERALL! Aber auch die „Nutz“tiere haben meist ein furchtbares Leben. Wir sahen abgemagerte, verschwitzte Pferde, die Kutschen mit dutzenden Baumstämmen mitten im Straßenverkehr zogen. Auch diesem Thema werden wir uns noch widmen.
Dog Rescue Shelter - Bukarest
Der Transporter war voll beladen mit wertvollen Sachspenden wie hochwertigem Futter, einem Narkose- und einem Sterilisationsgerät, Betten, Näpfe, Transportkörbe und kistenweise Material für Operationen. Nach anderthalb Tagen Fahrt erreichten wir unser erstes Ziel , das Dog Rescue Shelter in Bukarest, das von dem Tierarzt Dr. Rudi Hofmann geleitet und durch den Verein Sternentiere unterstützt wird. Nach dem Ausladen der ersten Spenden haben wir das private Shelter besichtigt. Dort kommen Hunde aus verschiedensten Situationen an, neben ausgesetzten auch Tiere aus öffentlichen Sheltern, die bei Rudi medizinisch behandelt und auf ihre Vermittlung in ein Zuhause vorbereitet werden. Das Gelände und die Zwinger sind gepflegt und ihn gutem Zustand, die Hunde werden von Rudi, Dana und ihren Mitarbeitern gut behandelt. Wir haben während unseres Aufenthaltes viele Spaziergänge mit den Hunden gemacht, sie gebürstet, Krallen geschnitten, mit den Menschen vor Ort über ihre Probleme und mögliche Lösungen geredet, Baumaterial für einen neuen Zaun gekauft und überall mit angefasst, wo Hilfe nötig war. Unter anderem auch in Rudis neu errichteter Tierklinik, wo wir Käfige und Zwinger gesäubert haben. Jeden Abend vor dem Schlafen und direkt nach dem Aufstehen ging es noch für ein Stündchen dorthin, wo wir von den Hunden freudig begrüßt wurden und ihnen ein bisschen Bewegung verschafft haben.
Braila Shelter
Am Sonntag sind wir zusammen mit Rudi ins Braila Shelter gefahren, eine öffentliche Einrichtung, in der er sich sehr engagiert und viele Hunde von dort rettet. Nach dem ersten guten Eindruck des Dog Rescue Shelters kamen wir plötzlich in eine andere Welt mit dutzenden Zwingern voller Hunde, viele davon halbnackt durch Hautkrankheiten, ausgemergelt und verunsichert. Beim Betreten des Geländes wurden wir mit lautem Gebell „empfangen“ und mussten im ersten Augenblick erst mal tief durchatmen, um diesen Anblick zu erfassen und ertragen zu können. Nachdem wir uns einen Überblick verschafft haben, konnten wir Rudi bei der Behandlung einiger Tiere unterstützen und haben uns mit der Tierheimleitung zusammen gesetzt, um auch dort über die Lage zu sprechen. Auf dem Rückweg haben wir einen extrem schwachen Rüden mitgenommen, um ihm eine Chance auf Leben zu geben und ihn in der Klinik angemessen behandeln zu können. Zudem kamen auf halbem Weg noch eine Straßenhündin mit ihrem Welpen dazu, die nun nicht mehr den Gefahren der Straße ausgesetzt sind und auf ein schönes Zuhause warten.
ASPA Shelter
Um uns selbst ein Bild der wohl am heftigsten diskutierten Institution in Bukarest machen zu können, waren wir am Dienstag im Pallady Shelter der ASPA, haben die Räumlichkeiten und die Tiere dort gesehen und einen noch intensiveren Eindruck davon erhalten, wie unvorstellbar die Zustände in diesem Land sind.
Vladi Calarasi - Bukarest
Eine weitere Station unserer Reise war am Mittwoch bei dem privaten Tierschützer Vladi, der im bukarester Umland auf seinem Grundstück etwa dreißig Hunde aufgenommen hat und pflegt. Als wir dort waren, hatte Vladi tatkräftige Unterstützung von Katja aus Hannover und Eveline aus der Schweiz, die ihm schon länger organisatorisch und finanziell eine große Hilfe sind. Wiebke und Vladi sind mit dem Transporter zum Tierarzt gefahren, um eine Hündin mit Tumor untersuchen zu lassen und eine Katze zu besuchen, die der Tierschützer einige Tage zuvor gerettet hatte, nachdem einige Kinder mit ihr Fußball gespielt und sie so schwer verletzt hatten. Neben der Bezahlung der bisherigen Behandlungskosten der Katze haben wir auch die Kastration einer Straßenhündin übernommen, die Wiebke im Warteraum kennengelernt hat. Gleichzeitig haben Lisa, Carolin und Katja die Ärmel hochgekrempelt und die Zwinger mit Hilfe von Elektrosense und Schweren von Disteln und Klettpflanzen befreit und den Hunden so ein beachtliches Mehr an Auslauf geschafft.
Neben der kontinuierlichen Mitarbeit im Dog Rescue Shelter war das Treffen mit dem rumänischen Tierschützer Kola Kariola (Marius Chirca) ein weiterer wichtiger Punkt unseres Aufenthaltes in Bukarest. Durch Vladis Hilfe als Übersetzer konnten wir uns mit noch einer weiteren engagierten Person über deren Ansichten und Einschätzungen unterhalten und uns so ein Bild der Lage machen. Auch Kola bekam von uns Unterstützung in Form von vielen Säcken hochwertigem Trockenfutter, und nur die schweren Säcke hielten ihn davon ab, vor Freude in die Luft zu springen.
Ploiesti/Bucov
Nach einer Woche in Bukarest machten wir uns schließlich auf nach Ploiesti, einer Kleinstadt 65 Kilometer im Norden der Hauptstadt. Dort unterstützten wir das Bucov Shelter, eine Einrichtung mit unvorstellbaren Ausmaßen und etwa 1300 Hunden, wobei sich diese Zahl nur grob schätzen lässt. Durch das großartige Engagement der Rumäninnen Aniela (Hope for Romanian Strays) und Mihaela, sowie von Pro Dog Romania und weiteren Vereinen konnte dort schon einiges erreicht werden, die Hunde haben größtenteils Auslauf in großen Zwingern mit Unterständen und Hundehütten. Ausgerechnet im vorderen Bereich des Geländes in der Krankenstation herrschen leider katastrophale Zustände, zum Teil sitzen Hunde mit unterschiedlichsten Krankheiten in 6qm-Zwingern in ihrem eigenen Dreck. Holzpaletten dienen als Liegefläche, unter denen sich mangels Reinigung eine enorme Dreck- und Fäkalienschicht mit Maden ansammelt. Der Einsatz der zwei Tierärztinnen, die von den Tierschützern bezahlt werden, ist großartig und sie versuchen alles, um den Hunden zu helfen. Als Außenstehende sahen wir mit einem gewissen Abstand auf die tägliche Arbeit und beobachteten, wie viele schwer kranke Hunde auf Teufel komm raus am Leben gehalten werden. Anstatt sie zu erlösen, kommen sie an den Tropf und müssen noch einige Tage länger leiden, bis sie zum Großteil versterben. Jedes Leben soll noch eine letzte Chance bekommen – das war für uns schwer zu ertragen! Auch hier setzt Pro Dog an und verbessert die Umstände stetig!
Wir haben uns bei unserer Arbeit darum auf die Krankenstation konzentriert, dort sauber gemacht und dafür gesorgt, dass die kranken Tiere jeden Tag wenigstens ein paar Minuten an der frischen Luft in der Sonne verbringen und die fitteren unter ihnen einige Schritte laufen konnten. Parallel zu unserer Arbeit waren noch vier Helfer aus Deutschland und Österreich vor Ort, ebenso wie Meike von Pro Dog Romania, sodass in der Woche viele Hunde zur Vermittlung fotografiert, Zwinger gereinigt und neue gebaut, sowie Hundehütten winterfest werden konnten.
Alex Ionescu - Ploiesti
In dieser Woche haben wir noch zwei Tage mit Alex Ionescu verbracht, einer Rumänin, die in Amerika und Schottland Hundeverhalten und Tierschutz studiert hat und nun in Ploiesti eine Tierklinik leitet. Beim Kampf gegen das Leid der Hunde setzt sie auf Kastrationen, holt dazu auch Tiere von der Straße, um sie anschließend wieder in die Freiheit zu entlassen. Nebenbei beherbergt sie im Garten ihrer Familie einige Welpen und bei sich zuhause Katzen, die vermittelt werden, sobald sie alt genug sind. Alex steckt sehr viel Herzblut in ihre Arbeit und ist eine der wenigen Rumänen, die nach einem Auslandsaufenthalt wieder zurückkehren, um in ihrer Heimat zu helfen. Derzeit wird sie von Stumme Schreie e.V. und PetOps EV unterstützt, sowie von Sonja Thiele, die wir bei unserem Besuch ebenfalls kennenlernen durften.
Die von uns mitgebrachten Geräte wurden zuletzt vom Tierschützer Mishu abgeholt, den wir auch künftig unterstützen werden.
Nach diesen vielen Tagen voller Ereignisse und Eindrücke sind wir immer noch erschüttert von den Zuständen, die in Rumänien vielerorts herrschen.
Dennoch können wir mit Stolz auf einiges zurückblicken, das wir mit Eurer Hilfe schaffen und den Menschen vor Ort zur Verfügung stellen konnten: Ein besonderer Dank geht an Esther Geisser von NetAP, die uns mental und mit fundiertem Wissen die ganze Reise über unterstützt hat!
- 141 Kastrationen in Bucov und Bukarest
- 90 Kastrationen in Bucov, bei Kola Kariola und Alex Ionescu folgen in unserer Abwesenheit
- Baumaterialien im Wert von 1.250 Euro für das Bucov Shelter über Aniela Ghita
- 300 Euro Baumaterialien und 300 Euro für die Tierklinik vom Dog Rescue Shelter in Bukarest
- 300 Euro für einen Stromgenerator und 200 Euro für Futter an das Musette Shelter
- Ein Narkose- und ein Sterilationsgerät für Mishu aus Baile Herculane
- 1 Tonne hochwertiger Spenden für Ioana aus Bukarest, Alex aus Ploiesti, Anasstasia aus Mangalia, Kola aus Bukarest und Vladi
Dennoch gibt es vor Ort noch so viel mehr zu tun, und das über Jahre und Jahrzehnte. Das wichtigste sind vorerst Helfer, die vor Ort mit anpacken, den rumänischen Tierschützern so Mut machen und ihnen Kraft geben, um weiter ihr Leben für die Tiere opfern zu können. Im gleichen Zuge ist es wichtig, die Bevölkerung aufzuklären und für das Thema zu sensibilisieren. Für die Rumänen ist es so alltäglich, Hunde auf der Suche nach Futter herumstreunen oder überfahren auf der Straße zu sehen, dass sie die Dramatik dahinter gar nicht mehr wahrnehmen. Der dritte wichtige Punkt sind Kastrationen, vor allem großangelegte Kastrationsaktionen, um die Zahl der Tiere eindämmen zu können. Die Straßenhunde kommen mit ihrer Situation überraschend gut zurecht, solange sie denn in Frieden gelassen werden, doch wenn jede Hündin zwei Mal im Jahr wirft, vermag man sich die zukünftige Entwicklung gar nicht auszumalen. Darum sollten wir unsere Möglichkeiten und unseren Vorsprung nutzen, um die Lage in Rumänien zu verbessern und allen Tieren ein angemessenes Leben, überhaupt ein Leben, zu ermöglichen.
Wiebke, Carolin und Lisa
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Ausnahmeland Rumänien – Ein paar Gedanken des Tierhilfsnetzwerk
Kein anderes Land in Europa hat ein so stark von streunenden Hunden geprägtes Landschaftsbild. Der Ursprung soll in den 80er Jahren liegen, als der damalige rumänische Diktator Ceausescus einen großen Teil der Bukarester Altstadt abreißen ließ, um Platz für seinen «Palast des Volkes» zu schaffen. Zudem ließ er neue Wohnungen für sein Kader bauen. Die vorherigen Bewohner wurden in Plattenbauwohnungen umgesiedelt, in denen sie keinen Platz mehr für ihre Hunde hatten. Die Folge: Die Hunde wurden ausgesetzt und vermehrten sich.
Seit etwa zwei Jahrzehnten gibt es immer wieder vereinzelte Bürger, die den schweren Stand der Hunde erkennen und ihnen Schutz geben vor der bitteren Kälte im Winter und den Durststrecken im Sommer. Aber noch mehr Menschen, besonders die Behörden, sehen in den Hunden eine Gefahr für die Anwohner und den Tourismus. Immer wieder gibt es Programme, die örtlich Hundetötungen umsetzen. Da dies jedoch nicht landesweit erfolgt, übernehmen Hunde von außerhalb die frei gewordenen Reviere und es gibt wenige Monate nach den Tötungen bereits wieder die gleiche Anzahl an Tieren in den Straßen. Durch die Aufmerksamkeit anderer Länder stand Rumänien unter Druck etwas an der Taktik zu ändern und baute riesige Auffanglager für die zumeist sehr friedlichen Straßenhunde. Durch die grausamen Fangmethoden und noch schlimmeren Lebensbedingungen leiden die Tiere dort jedoch bis zum Tod. Nur infolge der harten und ausdauernden Arbeit von Tierschützern ist es möglich, viele dieser Shelter zu besuchen und die Lage für die Hunde zu verbessern. Die öffentlichen Gelder landen nicht bei den Tieren, die Versorgung übernehmen in der Regel private Tierschützer und Organisationen, die mit Spendengeldern die Grundversorgung leisten. Immer im Kampf gegen die Willkür der Behörden und die Aggressivität mancher Angestellten in den Lagern. Langfristig dürfen diese Lager keine Existenzberechtigung mehr haben! Das lässt sich in erster Linie politisch erwirken, aber auch Kastrationsprogramme haben eine nachhaltige Wirkung.
Wir möchten noch ein paar Tipps mitgeben, für alle, die nicht selbst vor Ort sein können: Lasst Euch nicht ausschließlich blenden von schlimmen Bildern! Diese Aufmerksamkeit kann Menschen dazu veranlassen, auf den Tierschutzzug aufzuspringen und mit eben diesen schlimmen Bildern Geld zu verdienen. Dann wird genau das Gegenteil von dem erreicht, was wir uns für die Tiere wünschen.
Vertraut den Tierschützern, deren Pfleglinge gut aussehen und einen psychisch gesunden Eindruck machen. Auch dort kann es schlimme Notfälle geben, aber nicht regelmäßig!
Nicht nur die Hunde leiden durch den Menschen, durch Macht- und Geldgier wird es immer Sklaven geben, die wir ausbeuten. Seien es die Pferde, die in Rumänien wie Autos benutzt und verheizt werden; die Umwelt, die durch den enormen Konsum von Kleidung und Lebensmitteln nachhaltig gestört wird, durch Düngemittel, die den Boden zerstören, durch genveränderte Lebensmittel, die enorme Langzeitschäden verursachen; zahlreiche wehrlose Wesen, die in Tierversuchen mit Medikamenten vollgepumpt werden; und nicht zu vergessen den tausendfachen Mord an Schweinen, Hühnern, Rindern für den menschlichen Bedarf!
Hier und in der ganzen Welt fehlt Respekt gegenüber unserer eigenen Erde! Macht mit und schaut hin: Jeder kann etwas tun, indem er auf Produkte verzichtet, die auf Ausbeutung basieren; indem er Menschen, die mit anderen Lebewesen schlecht umgehen sofort darauf anspricht; indem er sich aktiv einbringt, zum Beispiel im Tierheim arbeitet, um die momentane Lebenssituation der Tiere zu verbessern; indem er Pflegeplätze für Tiere anbietet, damit sie eine Chance auf ein Zuhause haben und nicht mehr in den Auffanglagern vegetieren müssen.
Danke an alle, die hinsehen und ihr Bestes geben!
Wiebke