Polenfahrt nach Zabrze
Die Jungfernfahrt des Tierhilfsnetzwerk mit dem eigenen Transporter sollte ursprünglich nach Rumänien gehen. In der Tötung in Ploiesti bei Bucov wird dringend Hilfe von Tierschutzvereinen benötigt. Zwei Tierschützerinnen beobachten das Geschehen in der Tötung schon lange und versuchen dort zu helfen, wie es geht und wie es ihnen erlaubt wird. Wir haben mit der Leitung und dem Bürgermeister versucht zu verhandeln, aber die Situation und die Akzeptanz von Tierschützern im Heim wurde immer schlechter. Erst einmal muss eine Handlungsbasis erarbeitet werden, bevor wir mit einem Team vor Ort etwas bewegen können. Somit haben wir uns kurzfristig für ein Tierheim in Polen entschieden, welches zwar in der Hand von Behörden ist, jedoch von Tierschützern geleitet werden darf. Dennoch gibt es auch hier die Not. Es sind zu viele Tiere, zu wenig Platz, zu wenig oder schlechtes Futter und keine ausreichende medizinische Versorgung vor Ort. Wir sind das erste ausländische Team, welches das Heim Psitulmnie besucht.
Das Team, bestehend aus Mary, Lisa, Christian, Martin und Wiebke hat sich schnell zusammengefunden. Dank eines Aufrufes auf Facebook kamen so viele Sachspenden zusammen, dass wir sogar einiges an Spenden für die nächste Auslandsfahrt zu Pfingsten in Deutschland belassen mussten.
Dienstag: Anreise und Spendenabgabe im Tierheim
Am 02.04. war der Transporter voll beladen und nach einigem Um- und Neubeladen konnten wir gegen 10 Uhr starten. Über zum Teil sehr holprige Straßen fuhren wir direkt zu Danuta, der ersten Vorsitzendes des Tierschutzvereins in Zabrze, Hindenburg. Kurz vor 17h kamen wir dann mit Danuta im Tierheim an, um die Sachspenden auszuladen. Der erste Eindruck vom Tierheim war sehr gut! Die Hunde, waren alle sehr freundlich und es sah sauber und zum Teil neu aus. Wie wir erfuhren, ist es erst seit kurzem so. Danuta kämpft seit 14 Jahren für dieses Heim und hat Ende 2012 mit dem Bürgermeister ausgehandelt, dass tierliebe Gefängnisinsassen das Heim nach und nach erneuern. Der Eingangsbereich wurde vor kurzem gefliest, es wurden Möbel für die zwei Büroräume angeschafft und mit Mitteln aus einem englischen Tierschutzverein ein Behandlungszimmer gebaut.
Vor 14 Jahren gab es 100 Hunde - kam einer mehr dazu, wurde dafür ein anderer getötet. Das ist seit Danutas Einsatz Geschichte. Sie achtet außerdem darauf, dass nur Helfer und Arbeiter vor Ort sind, die Tiere lieben und nicht nur die Arbeit verrichten. Wir haben gemerkt, wie wichtig es ist, dass jeder im Tierheim die Hunde und Katzen respektiert und zum Teil auch liebgewinnt. Dennoch ist es großer Stress für jedes der 350 Tiere, die sich in der Küche, im Bad, in den Büros, im Flur und in jeder Ecke befinden und warten!
Mittwoch: Arbeitstag im Tierheim und Pubbesuch
Heute haben wir das Tierheim und die Helfer, sowie die junge Leiterin Sandra, genauer kennengelernt und das geht am besten mit viiiel Arbeit. Martin hat sich direkt an die Reinigung der Innenzwinger in einem der drei Gebäude gemacht. Nach sieben Stunden, fast durchgängiger Putzorgie waren jedoch die ersten Zwinger schon wieder verdreckt. Arbeit im Tierheim hat nie ein Ende. Mary hat das Katzenzimmer gereinigt, während wir anderen drei mit Hunden gelaufen sind und uns Vorgänge im Heim erklären lassen haben.
Was uns gleich auffiel: Fast alle Hunde stehen immer im Nassen. Alle Pfoten waren aufgequollen, zum Teil entzündet und sogar offen. Obwohl es stark geschneit und gefroren hat, weicht die gefrorene Schneedecke durch die Pipi auf. Viele Hunde hatten auch - durch den Tierheimstress, Krankheiten oder Parasiten – starken Durchfall. Wir haben übergewichtige Hunde gesehen, die zum Teil sehr stark verfilzt waren, aber auch abgemagerte Hunde, die der Kälte nichts entgegen zu setzen haben. Wir haben versucht die verfilzten Hunde von ihrem Fell zu entledigen, hatten aber keine Chance. Ebenso wie bei ein paar andere Hunde, muss man immer damit rechnen, dass nach einem geschnappt wird. Wir sind halt Fremde. Diese schmerzvolle Erfahrung musste auch Christian machen, als er beim Reinigen der Zwinger mit einem Hund scherzte, der unvermittelt zubiss.
Nach und nach bekamen wir auch Einblicke in den Tierheimalltag. Die Kleingruppen können nach Möglichkeit einmal an Tag von ihren kleinen Zwingern in einen Freilauf. Die Hunde wissen es und der Wechsel läuft wie automatisch. Im Auslauf hat jedoch niemand Zeit mit ihnen zu spielen. Alle Tiere sind unterfordert und gestresst, jedoch sehr lieb und über jede Zuwendung dankbar.
Abends haben uns die Volontäre und Angestellten eingeladen mit in einen Pub zu kommen. Dort haben wir uns erfolgreich mit Händen und Füßen verständigt. Das junge Team hat einen starken Zusammenhalt und ist mit Herz und Spaß dabei. Wir haben das Gefühl, dass hier mit wenig Druck eine Menge erreicht wird, jedoch wirken Abläufe im Heim manchmal etwas unorganisiert.
Donnerstag: Arbeitstag im Tierheim und Einladung bei Danuta
Heute haben wir schon manche Hunde näher kennenlernen können. Ein Hund und sein Schicksal ging uns besonders nahe. Akiro, ein 13-Jähriger Rüde saß im letzten Zwinger und sah erbärmlich aus. Neben ihm eine der wenigen aggressiven Hunde- eine Staffordhündin, die bei jedem Menschen, der an ihrem Gehege vorbeilief, ausflippte. Akiro hatte eine Hütte mit etwas Stroh, aber da er so dünn und klapprig war, schien er immer zu frieren. Eigentlich wollten wir keinen Hund mit zurück nehmen, aber er hätte gar keine Chance in Polen gehabt. Wir klärten alles ab und Sandra machte uns alle Unterlagen fertig. Dass wir ihm nun ein Hundeleben bescheren können, ist ein super schönes Gefühl.
Heute war die Tierärztin da, die sich ein paar Hunde auf meine Nachfrage angesehen hat. Obwohl die Hunde zum Teil vor Schmerz gejault haben, konnte sie nichts feststellen.
Nachdem wir Akiro schon einmal mit unserem Transporter bekannt machten, liefen wir noch jeweils drei große Runden mit insgesamt 15 Hunden.
Als Martin von einem Spaziergang wiederkam, stürmte die Hofhundegruppe auf ihn zu. Diese Gruppe lebt hinter der Küche und ist eher resolut und rustikal. Kommt ein anderes Tier in die Quere ist mit ihnen nicht zu spaßen. Aber Martin warf sich zwischen seinen Schützling und das Rudel und konnte somit schlimmeres verhindern. Bis auf einige oberflächliche Wunden an seinen Beinen, ist er unversehrt geblieben.
Danuta hat uns gebeten, alles was uns auffällt und jede Verbesserungsmöglichkeit zu notieren und ihr mitzuteilen. Am Abend haben wir mit ihr einiges durchgesprochen. Um die Gehege etwas trockener zu halten haben wir Abzieher für den Boden gekauft und vorgeschlagen, die Zwinger mit Plane abzudecken, damit Regen und Schnee nicht direkt in den Zwinger fällt. Außerdem haben uns die Fütterungstechniken und einige Kleinigkeiten gewundert. Alles konnte aufgeklärt werden. Was den Hunden fehlt, ist festes Futter, um Zahnstein zu verhindert. Es gibt jedoch ausschließlich gekochte „Pampe“, somit haben viele Hunde schlechte Zähne und Zahnfleischentzündungen.
Was nicht immer optimal ist, ist die Zusammenstellung einiger Hundegruppen. Danuta hatte die Idee einen Hundetrainer für die Helfer im Tierheim zu engagieren. So können die Helfer angelernt werden und der Hundetrainer kann evtl. Gruppen umstellen.
Die Einladung in ihrem Haus, in dem ihr Mann auch ein Grafikstudio hat, war sehr herzlich und schön. Sie hat zusammen mit ihrem Mann und dem zweiten Vereinsvorsitzenden richtig aufgetischt und uns mit den veganen und vegetarischen Speisen verwöhnt. Wir haben viele Druckerzeugnisse des Tierheims gesehen-ein Grund warum die Druckerei von Danuta und ihrem Mann nicht mehr existiert. ;-) Alles für die Tiere! Wie fast alle Häuser in Zabrze ist auch Danutas Haus abgesackt und schief. Der Kohleabbau hat die 200.000 Einwohnerstadt unterirdisch ausgehöhlt. Die Menschen haben aber keine Wahl, sie leben in windschiefen Häusern und können nur hoffen, dass sie nicht umfallen.
In dieser Nacht erhält die Tierheimleiterin Sandra drei Notrufe von der Polizei. Die Nacht ist kurz, dennoch ist Sandra immer voll da und arbeitet ruhig und gelassen, was sich auch auf die Kollegen und Tiere überträgt.
Freitag: Arbeitstag im Tierheim, Besuch in der Schule, Pubbesuch
Fast ist unser Besuch schon vorbei, wir sind also auf Hochtouren mit den Hunden gelaufen und gelaufen, haben geputzt und versorgt, gespielt und gereinigt und trotzdem, die Arbeit nimmt nie ein Ende. Wir hoffen, dass wir den tollen Helfern etwas abnehmen konnten.
Zwischen der Arbeit sind wir mit Danuta in eine von neun Schulen gefahren. Dort findet ein regelmäßiger Wettbewerb statt, auf den Lehrer, Kinder und Eltern hin fiebern. Alle Kinder haben heute gleichzeitig ein Bild von einem Tier gemalt und ein Erlebnis dazu geschrieben. Das soll den Respekt vor Tieren erhöhen. Die Gewinnerbilder werden in einem Kalender abgedruckt, der in Zabrze der Renner ist. Eine tolle Idee, Danuta!
Später haben wir trotz Müdigkeit und Blessuren einen Pub besucht, indem wir wieder auf viele Helfer aus dem Tierheim trafen und uns über Verbesserungen im Tierheim unterhielten.
Im Pub erreichte Sandra ein Notruf: Eine Katze wurde gefunden. Wiebke durfte zusammen mit Sandra die Katze bergen. Die Fahrt durch zwei Bezirke der großen Stadt, führte uns durch ärmliche Wohngebiete und viel freie Felder. Als wir am Fundort der Katze ankamen, fanden wir eine apathische, geistig abwesende Katze auf einer Fußmatte vor einer Wohnungstür in einem Mehrfamilienhaus an. Wir fanden keine Verletzungen, sie spucke weder Schaum, noch war sie abgemagert. Wir vermuten, dass sie ein spezielles Gift gefressen hat. Die einzige Tierklinik in der 200.000-Einwohnerstadt hat die Katze sofort behandelt. Sie ist jedoch kurze Zeit später gestorben. Es war sehr traurig zu sehen, wie schlecht es ihr ging, aber es ist eine gute Entwicklung, dass die Menschen nicht immer die Augen verschließen und sogar Hilfe für Tiere holen.
Samstag: Akiro, Harlem Shake, Rückfahrt, Tierarzt
Der letzte Tag begann mit einem kleinen Filmdreh. Volontäre und Mitarbeiter haben sich verkleidet und mit uns zusammen einen Harlem Shake im Tierheim aufgenommen. Die Leute hier sind sehr locker, offen und mit Spaß dabei. Das ist auch notwendig, um bei dem täglichen Kummer nicht die Lebenslust zu verlieren.
http://www.youtube.com/watch?v=X-LfScr5Tjk
Dann haben wir Akiro zusammen mit den Einkäufen für ihn im Auto verstaut, wo er sich von uns ganz schnell überreden ließ, sich zu entspannen. Fast stündlich haben wir gehalten und Akiro hat uns sein vollstes Vertrauen geschenkt. Nach fünf Stunden Fahrt sind wir (noch in unserer Arbeitskleidung) in einer Berliner Tierklinik eingetroffen. Wir wollten untersuchen lassen, ob Akiro Schmerzen hat und ihm eine Wurmkur geben lassen, sowie Antibiotika für seine entzündete Kastrationsnarbe. Nach über vier Stunden konnten wir die Klinik wieder verlassen. Akiro geht es soweit gut, er muss jetzt nur an Gewicht zulegen und sich pflegen lassen. Beim letzten Spaziergang vor Akiros erster Nacht in einer Wohnung, entdeckten Lisa, Mary und Christian einen Hund im Auto. Die Scheiben waren beschlagen und der Hund war entkräftet und gestresst. Die Polizei konnte nicht eingreifen, da es nicht über 30° C war und der Hund noch nicht nachgewiesen 24 Stunden im Auto saß. Am nächsten Morgen war er immer noch da. Die Polizei wurde wieder verständigt, doch als sie kamen war das Auto plötzlich weg.
Fazit
Für polnische Verhältnisse ist dieses Tierheim eines der gut geführten. Doch auch hier gibt es Probleme, Sorgen und Ängste. Es gibt viel, was andere Vereine von diesem Heim lernen können, aber auch einiges was hier optimiert werden kann. Toll finden wir, dass die Stimmung sehr gut ist! Die Versorgung durch die Tierärztin lässt zu wünschen übrig, ein Wechsel ist jedoch sehr schwer. Wir würden es uns wünschen! Wir wollen in Kontakt bleiben und Vermittlungshilfe von Notfällen leisten. Vielleicht ergibt sich durch die Ideen von Danuta und ihrem Team ein Kooperationsprojekt mehrerer polnischer Tierheime/Tierschützer. Aber dies ist ein langer Prozess.