Aktiv für Peter und Foteini
Zum zweiten Mal in diesem Jahr bin ich im Dezember nach Thessaloniki geflogen, um unseren Freund Peter Feuser zu besuchen. Mittlerweile ist er mit seinen nunmehr 64 Hunden auf ein größeres Grundstück in Epanomi, einer kleinen Stadt bei Thessaloniki, gezogen. Er ist dort fast allein und braucht dringend Unterstützung, also ab in den Flieger, um viele Gespräche zu führen, mir alles vor Ort anzusehen und ihn mit anderen Tierschützern dort bekannt zu machen.
1. Tag, 05.12.
Peter holt mich freudestrahlend mit Marie und Lizzy, seinen vierbeinigen "Schatten", die ich noch von der letzten Reise kenne vom Flughafen ab und kündigt direkt an, mir schlimme Dinge zeigen zu müssen. Die Situation in Griechenland ist verheerend. Wie immer auf unseren Reisen bewegen wir uns fern aller Touristengebiete und bekommen das ganze Leid, die Armut und die Hilflosigkeit derjenigen zu Gesicht, die versuchen müssen, sich und ihre Familien irgendwie durchzubringen und sich dabei einen Funken Hoffnung zu bewahren. So sehe ich verfallene Häuser, jede Menge geschlossene Fabriken und Geschäfte, jedes einzelne steht für eine gescheiterte Existenz- und unzählige abgemagerte und torkelnde Straßenhunde, die sich vor Hunger und Krankheit kaum auf den Beinen halten können. Viele von ihnen kennt Peter, manche werden auch von Griechen mit Futter oder Essensresten versorgt, sofern sie selber etwas abgeben können.
Peter und ich fahren zu einer kleinen Bar, die Freunden von ihm gehört, essen dort und besprechen unsere Pläne für die nächsten Tage. Bei unserer Ankunft auf seinem Grundstück spät am Abend ist es leider schon dunkel, ich muss mich bis morgen gedulden, bis ich seine Hunde kennen lernen kann. Dafür stellt er mir Elwin, Greta und deren dreijährigen Sohn Sonny vor. Eine junge albanische Familie, die er quasi von der Straße geholt hat. Alle vier leben nun auf 100qm unter einem Dach, mit großen Sprachproblemen, sie verständigen sich irgendwie mit Händen und Füssen. Elwin ist dennoch ein Segen für Peter und seine Hunde, denn ohne ihn würde er all die Arbeit überhaupt nicht schaffen. Voll von den ersten Eindrücken falle ich irgendwann in tiefen Schlaf.....
2. Tag, 06.12.
....aufstehen um sechs ( bei uns erst fünf!), nach einem kurzen Frühstück geht's endlich zu den Hunden! Das Rudel von ca. 12 Hunden, das frei auf dem 7500 qm großen Grundstück läuft, begrüßt mich stürmisch, jeder möchte eine kleine Streicheleinheit, ein bisschen Aufmerksamkeit oder ein Leckerchen. Ich "kämpfe" mich die ca. 200 m zu den Gehegen und bin baff, wie immer bei so vielen Hunden auf kleinem Raum erwartet mich ohrenbetäubendes Gebelle, aber kein einziges Knurren, keine Beißereien, alles wirkt sehr entspannt. Elwin ist umzingelt von schwanzwedelnden Vierbeinern und strahlt übers ganze Gesicht. Die Hunde sind in Gehegen zu zweit, dritt oder auch viert untergebracht, im Welpengehege wuseln sechs Halbstarke durcheinander. Die meisten sehen gut genährt und gesund aus, aber alle leiden unter der wenigen Zeit, die Peter und Elwin für sie haben. Einmal in einem Gehege wollen sie einen nicht mehr gehen lassen, spiel mit mir, nur für einen kleinen Augenblick, streichel mich, sieh was für ein toller Kerl ich bin, nimm mich mit Dir! - es ist nicht leicht, wieder zu gehen, aber wir haben viel vor heute. Wir fahren mit Sunny zum Tierarzt, die kleine fliegt Montag mit mir in ihr neues Zuhause und soll nochmal untersucht werden. Außerdem hat Toni, ein großes vierbeiniges Riesenbaby von Peter, in den letzten Tagen stark abgenommen und Peter möchte ihn untersuchen lassen. Dann kaufen wir von den Spendengeldern Futter ein und etwas Baumaterial für die Gehege und wollen uns schon wieder auf den Heimweg machen, als direkt vor unserem Auto eine winzige, dürre Katze über die Straße wankt. Wir halten sofort, als ich zu ihr gehe schaut sie mich mit großen hilflosen Augen an und ist zu schwach, um vor mir wegzulaufen. Wir erscheinen zum zweiten Mal an diesem Tag bei Dr. Dimitri, dem tollen und hilfsbereiten Tierarzt, der unseren Kleinen- es ist ein Kater- untersucht. Bis auf sein Untergewicht und seine Augenentzündung scheint er ok zu sein. Keine Frage, er kommt mit, obwohl es bei Peter für Katzen wegen der vielen Hunde sehr gefährlich ist.
Zuhause angekommen füttern wir die Hunde, wie in jedem Shelter eine äußerst nervenaufreibende und laute Angelegenheit, dann richten wir für unseren Zwerg im Haus vor dem Ofen ein gemütliches Plätzchen in einem riesengroßen Käfig ein. Er bekommt seine vermutlich erste richtige Mahlzeit in seinem Leben und verputzt alles in wenigen Minuten. Wir nennen ihn Nelson, in Erinnerung an den großartigen Kämpfer Nelson Mandela, der heute leider gestorben ist.
Abends fahren Peter und ich in ein Café, wir besprechen lange, was er noch tun kann und muss, um mehr Spender und Adoptanten zu finden, informieren unsere Facebook-Freunde über die Ereignisse des Tages und posten Fotos. Irgendwann, spät am Abend, falle ich ins Bett- k.o. und zufrieden, denn neben mir schläft Nelson- eingerollt und sattgefressen!
3.Tag, 07.12.
Peter und ich sind heute in Katharini, ca. eine Autostunde entfernt, mit einer deutschen Frau verabredet, wir sollen dort auf einem Basar Peters Arbeit vorstellen. Nachdem wir Nelson, der vor Wonne überhaupt nicht mehr aufhört zu schnurren, mit Medikamenten, Futter und Streicheleinheiten versorgt haben, fahren wir los. Unterwegs entdecken wir auf einem Feld eine Hündin mit ihren vier Welpen, halten an, versuchen sie zu uns zu locken. Aber sie sind zu scheu, sehen zumindest gut genährt aus. Wir können nicht mehr tun als ihnen ein paar Knochen da zu lassen, Peter nimmt sich vor, eine Hütte für sie zu besorgen, damit sie wenigstens etwas Schutz vor dem Regen haben. Bei Peters Tempo mitzuhalten ist nicht so leicht, es gibt zwischendurch immer noch 1000 Dinge, die erledigt werden müssen, in Griechenland klappt nicht unbedingt immer alles wie geplant und Peter ist gedanklich meist schon wieder beim nächsten Termin. Zwischendurch schwirrt mir ganz schön der Kopf - wie hält dieser Mensch dieses Tempo aus?
In Katharini angekommen erwartet uns ein eisiger Wind und die Erkenntnis, dass der Basar draußen auf einem ungeschützten Platz stattfindet. Mit Glühwein bewaffnet schlottern wir uns durch drei Stunden Weihnachtsbasar, reden mit dem netten deutschen Paar, das verspricht, Peter weiterhin zu unterstützen. Abends treffen wir uns in einer Taverne mit Jenny. Wir haben Jenny bereits im Juni kennengelernt, sie ist eine junge Tierärztin, die in Trikala mit einem Freund zusammen ein privates Shelter hat. Mit unbeschreiblichem Einsatz ihrer Zeit, Energie und ihres eigenen Geldes versorgen sie dort täglich 300 Hunde, 50 Katzen und viele Ziegen. Peter und Jenny erzählen sich von ihrer Arbeit, sie sind begeistert voneinander und beschließen, sich in Zukunft, trotz der weiten Entfernung, nach Kräften gegenseitig zu unterstützen. Wir drei reden, diskutieren, überlegen, lachen und schimpfen bis drei Uhr morgens! Uns allen hat dieser Abend gut getan, denn solche entspannten Momente kommen im Tierschutz und auch auf diesen Reisen oft zu kurz. Um halb fünf Zuhause, Nelson grunzt und schmatzt im Schlaf....kalinichta, das war ein guter Tag!
4. Tag, 08.12.
Nach drei Stunden Schlaf quäle ich mich aus dem Bett, das wird kein Spaß heute...ich habe mir vorgenommen, alle Hunde einzeln zu fotografieren, um Alben für Vermittlungs- und Patenhunde anzulegen. Nach der bereits üblichen Kuschelstunde und Versorgung von Nelson marschiere ich frohen Mutes zu den Hunden und habe zwei Stunden später zumindest die meisten einigermaßen sichtbar vor die Linse bekommen. Natürlich halten sie nicht still, sobald man sich ihnen nähert stürmen sie los, wälzen sich schwanzwedelnd auf dem Boden...so wird das nichts! Mit ganz viel Geduld und unzähligen Versuchen bin ich am Ende aber zufrieden. Peter flitzt in der ganzen Zeit über sein Grundstück, repariert, flickt und diskutiert immer wieder mit Elwin. Mir wird bewusst, das hier nicht immer alles so harmonisch ist, wie es auf den ersten Blick wirkt. Elwin scheint oft nicht zuzuhören, macht nicht immer, was Peter ihm sagt und vermutlich versteht er auch vieles einfach nicht. Peter ist sauer und gestresst, ich kann ihn gut verstehen! Sobald sich dieser Mann aber seinen Hunden nähert scheint er "umzuschalten"- so habe ich Peter noch nie erlebt- dieser quirlige und manchmal überdrehte Mann ist auf einmal die Ruhe selber, ruhig und ohne Hektik steht er bei seinen Hunden, streichelt und spielt mit ihnen und die Hunde lieben ihn!! Ich stehe da, berührt und fasziniert und genieße diese Momente. Ja, es ist gut und richtig, das wir Peter unterstützen, das er nicht allein mit all seiner Arbeit und seinem Idealismus ist und ich freue mich, das mitzuerleben! Greta, Elwins Frau, kocht ein phantastisches Essen für uns, heute bleiben wir Zuhause, kümmern uns um die Hunde und ich nehme langsam Abschied. Nach so kurzer Zeit sind sie alle mir ans Herz gewachsen und wie immer habe ich auch den einen oder anderen "Herzenshund" gefunden, den dünnen aber wunderschönen Schoko, der im Gegensatz zu den anderen weniger stürmisch ist. Schoko kommt, wenn man sein Gehege betritt, vorsichtig und freundlich an, guckt erst mal fragend und sobald man ihn anspricht, drückt er sich an einen und genießt es, gekrault zu werden. Seinen traurigen Blick, der mich bei jedem Verlassen des Geheges begleitete, werde ich nicht mehr vergessen. Samu, der völlig verängstigte Hund, den Peter kürzlich aus einem schlimmen Tierheim befreit hat, wagt sich langsam aus seinem schützenden Raum, in dem er erst mal lebt- er beginnt zu spielen, läuft hinter den anderen Hunden her und lässt sich endlich vorsichtig von Peter anfassen!! Ich könnte noch viele aufzählen, aber besonders von Nelson fällt mir der Abschied schwer. Ich weiß, dass es gefährlich ist für ihn, bei all den Hunden zu bleiben, auch wenn Peter gut auf ihn aufpasst. Aber wenn einmal jemand die Haustür auflässt und Nelson raus marschiert - ich kann gar nicht daran denken! Ich hoffe, das der Kleine schnell nach Deutschland kommen kann. Als ich mich zu ihm an den Ofen lege, kommt er sofort schnurrend an und kuschelt sich an mich - Abschied nehmen ist nicht leicht...
5.Tag, 09.12.
Bis ca. 7:15 Uhr denke ich, das wird heute mal ein Tag, an dem alles klappt, ich werde in Ruhe zum Flughafen fahren und heim fliegen- denkste! Foteini, unsere Tierschutzfreundin aus Kavala ruft von unterwegs an. Ich nehme zwei ihrer Hunde im Flieger mit und nun hat einer, Bronco, während der Fahrt mal eben die eigentlich sehr stabile Transportbox zerstört. Peter flitzt los, packt noch eine seiner Boxen ein, zusätzlich Decken, die er an Foteini weitergibt und einigermaßen pünktlich geht's dann mit Sunny im Gepäck los zum Flughafen. Dort stellt sich heraus, dass wir für Bronco noch eine Beruhigungstablette für den Flug brauchen, damit er die zweite Box nicht auch auseinander nimmt. Also flitzt Peter noch mal los, rast nach Thessaloniki und besorgt in der Apotheke die Tabletten. In der Zeit checken wir die Hunde ein, was in Griechenland genug Stoff für eine Sartireshow geben würde ;-)
Dann kommt, ob wir wollen oder nicht, der Abschied. Peter weint, ist kaum zu trösten, als er sich von seiner Sunny verabschiedet. Ich sage good bye zu Foteini und Peter, verspreche wieder zu kommen und es erscheint mir wie immer etwas unwirklich, nun wieder in mein gewohntes Leben zu fliegen. Ich vermisse die beiden schon beim Abschied, wie schön, solch tolle Menschen zu kennen!!! Drei Fellnasen habe ich dabei, auf die nun ein tolles Hundeleben wartet, die Gehege, Angst und Hunger für immer hinter sich lassen.
Drei von so vielen.........
Julia Choi