Wir haben sie alle geschafft...
Fahrt nach Gorzow/Polen im Oktober 2017
Nachdem wir uns anfänglich schon seelisch und moralisch darauf eingestellt hatten, diesmal nur zu Dritt nach Polen zu fahren, konnten wir kurzfristig noch vier tierliebe, helfende Hände dazu gewinnen. Zu Viert starteten wir dann also morgens mit dem gefüllten Transporter des THNW Europa in Berlin-Karow und fuhren aufgrund eines familiären Zwischenfalls und einer damit verbundenen sehr kurzen Nacht unserer Fünften im Bunde einen kleinen Umweg über das im Norden Berlins gelegene Dörfchen Basdorf, um sie dort abzuholen. Dort wurden wir erst einmal freundlich, aber auch schon ein wenig territorial verhaltend von dem kürzlich vom Tierheim Gorzow nach Deutschland geretteten Hundemädchen „Karla“ und ihrem bereits hervorragend in Deutschland integrierten griechischen Freund, dem Buben „Duplo“, begrüßt. Beide signalisierten uns „Fahrt nur und kümmert Euch um unsere bedürftigen Leidensgenossen – wir haben es ja jetzt gemütlich warm, harmonisch und liebevoll. Wir kommen zurecht und hüten derweil, bis Oma kommt, das Haus.
Somit fuhren wir dann endlich vollständig gegen 9.00 Uhr aus Basdorf in Richtung Polen los. Wir hatten noch nicht einmal den Ort Basdorf verlassen, da fiel unserer Anne ein winziger Chihuahua ohne Halsband und mutterseelenallein direkt am Straßenrand der um diese Uhrzeit recht befahrenen B 109 auf. Sofort fuhren wir rechts ran, um uns der Sache anzunehmen. Dieser Zwerg, welcher ganz offensichtlich Glauben schenken wollte, ein bemuskelter Bullmastiff zu sein, verhielt sich bei unserer Annäherung sofort territorial, knurrte uns an und begab sich so halb in Richtung eines Grundstücks mit offenstehendem Tor. Schon diese Reaktion ließ uns erahnen, dass dieser Däumling wohl der Beschützer dieses Grundstücks sein könnte. Sicher waren wir uns jedoch nicht. Trotz Daueraufruhr und Getöse dieses Zwerges ließ sich niemand auf dem Grundstück blicken und in Ermangelung einer Klingel versuchten wir es bei den benachbarten Grundstücken, jemanden zu erreichen, der Auskunft zur Herkunft dieses Däumlings geben kann. Niemand öffnete. Plötzlich jedoch erblickten wir einen bereits mit Handy bewaffneten und sehr an uns interessierten Nachbarn hinter seinen Blumentöpfen. Dieser wusste auf Nachfrage zu berichten, dass dieser Däumling, wie bereits erahnt, zu dem besagten Grundstück zugehörig ist und es der Normalität entspräche, dass der Däumling wie ein herrenloser Straßenhund die Gegend bei offenstehendem Tor erkundet. Derweil huschte eine menschenähnliche Gestalt über das Grundstück, der sich der Däumling anschloss. Bleibt ihm nur zu wünschen übrig, dass immer alles in seinem Sinne verlaufen wird. Aus unserer Sicht völlig unverständlich, einen Hund auf diese Weise „zu sichern“!
Jetzt aber…….. und weiter ging die Fahrt. Das erste Mal mit auf Tour war die liebe Hundemama Alex, welche wir zuvor in der Martin-Rütter Hundeschule in Berlin-Wandlitz kennenlernten. Während der gemeinsamen Fahrt gaben wir ihr Wissenswertes und Erfahrungswerte zum Tierheim in Gorzow bekannt. Weiterhin führten wir interessante Gespräche zu den Themen Tierschutz, Ernährung und Politik. Eines unserer schönsten Themen war jedoch die am Tage zuvor stattfindende Rettung des alten Veteranen „Reks“. Dieser wurde als kleiner Kerl mit rund einem Jahr im Tierheim in Gorzow abgegeben. Statt Vertrauen, Zuneigung und festen Ritualen lernte er als kleiner Wicht gleich die härteste Seite des Hundelebens kennen. Nach langen zehn, teils bitterkalten Wintern und Durchfallendemien, wie sie in entsprechenden Tierheimen häufig üblich sind, hat „Reks“ es endlich geschafft. Er fuhr in ein neues Leben mit Wärme , Zuneigung, ausreichend Futter und lieben Menschen, die sich seiner annahmen. Das zauberte uns allen ein wohliges Lächeln ins Gesicht. Einer hatte es mal wieder geschafft. Haltet bitte durch ihr anderen – wir kommen!
Gegen 12.00 Uhr trafen wir dann endlich im Tierheim ein. Jedes Mal ein Moment, wo mir die Tränen in die Augen schießen – was tun wir Menschen diesen tollen und treuen Mitgeschöpfen nur an! Ich kann es nicht begreifen! Alle bellen, jeder will auf sich aufmerksam machen, nicht vergessen werden und einfach nur gefallen. Schnell luden wir das Futter und einiges an Zubehör aus und gegen 12.30 Uhr ging es dann endlich los. Wie sie sich vor Freiheits- und Bewegungsdrang in die Leinen reinlegten. Sie keuchten vor Zug an der Leine und alle wollten in diesem Moment nur eines: LAUFEN!!! Gras und Erde unter den Pfötchen spüren, Fährten anderer Artgenossen und wilder Tiere aufnehmen, Freiheit riechen, ein kleines Schlückchen aus und ein Bad in der Warthe nehmen. Wie sie es genießen. Das ist auch einer der Momente, wo uns Hundemamas das Herz zerbricht – das, was für unsere daheim gebliebenen Fellkinder alltäglich ist, ist hier wie Weihnachten und Ostern zugleich.
Erfreulicher Weise fiel gleich zu Beginn auf, dass dieses Mal einige interessierte Landsmänner samt Familie vor Ort waren, um einige der Fellnasen auszuführen. Dadurch schafften wir es tatsächlich, alle Hunde, bis auf bis auf die in Quarantäne befindlichen und die sogenannten „Aggressiven“ auszuführen. Traurigerweise erlitt der kleine leberkranke „Prezes“ gleich nach Verlassen des Tierheimgeländes einen etwas länger andauernden epileptischen Anfall mit anschließendem Erbrechen. Nach Auskunft der vor Ort befindlichen Pfleger seien die Leberwerte wieder stabil gewesen, weshalb das durch „Prezes“ nicht gut akzeptierte Leberdiät-Trockenfutter durch diese wieder abgesetzt wurde. Ein durch Anne beauftragter anschließender Tierarztbesuch verlief mittelprächtig. Es wäre ein Traum, wenn dieser kleine Kerl ganz bald ein schönes Zuhause finden würde, denn mit Leberdiät-Nassfutter und ruhiger Beständigkeit bei einem eigenen Menschenrudel würde er der Krankheit angemessen leben können.
Ansonsten war das Wetter mit uns und die um das Tierheim Gorzow herum befindliche wunderschöne Natur hatte sich mittlerweile herbstlich verfärbt. Der frühe Abend nahte heran und wir wussten, dass wir bald aufbrechen müssen. Mittlerweile kehrte auch Ruhe im Tierheim ein und es wurde Zeit für die mittlerweile schon als Tradition zu bezeichnende Pansenrunde. Wir verteilten an alle kleine Knabbersnacks als Betthuperl. Nun schnell noch ein Foto von uns Fünfen gemacht und los ging sie – die Rückfahrt. Natürlich hielten wir noch bei der Katzenseele der Stadt, der selbstlosen älteren Dame Jola an, um sie mit mitgebrachten Katzenfutterspenden zu versorgen. Auf dem Heimweg dämmerte es schon und schnell wurde Nacht, aber unsere Anne brachte uns wunderbar sicher nach Berlin zurück. Wir alle waren ein wenig geschafft und traurig und glücklich zugleich. Traurig – weil wir diese feinen Fellnasen verlassen mussten und glücklich, weil wir ihnen an diesem Tage ein kleines Bisschen von dem geben konnten, was ihnen mehr als nur zusteht und auch zu ihrem Hundealltag gehören sollte. Immer wieder muss ich an sie denken und frage mich, was sie wohl gerade tun, während ich mit meiner Fellnase durch die Herbstlandschaft streife. Wenn ich zwei Tage später beim Treppensteigen meine Waden zwacken spüre, verschafft mir dies ein kleines Lächeln ins Gesicht, weil ich weiß, dass uns dieser Schmerz an diesem Tage verbindet und jeder von uns an die gemeinsame Fahrt nach Gorzow denkt. Dankeschön an Franzi, Alex, Anne K. und unserer Anne S..
Mit einem Zitat von Theodor Heuss beende ich meinen Bericht und bin in Gedanken schon bei der nächsten Fahrt:
„Eine der blamabelsten Angelegenheiten der menschlichen Entwicklung ist es, dass das Wort „Tierschutz“ überhaupt geschaffen werden musste.
Eure Grit